Warum ein Boykott der WM in Katar Blödsinn ist

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Ein Boykott der WM in Katar ist momentan ein großes Thema. Die Idee hat einen großen Symbolcharakter, aber tatsächlich keinen Sinn. Die häufigsten Argumente für einen Boykott sind die Menschenrechtsverletzungen im Land des Gastgebers und das große Leid der vielen Gastarbeiter. Solche Umstände seien mit den westlichen Werten nicht vereinbar.

Daher haben sich viele Fußballfans entschlossen, diese WM zu boykottieren. Sie sollten jedoch nicht erwarten, dass andere ihre Meinung teilen und es ihnen gleich tun. Das umstrittene Turnier im Wüstenstaat zu verweigern wird aber auch nichts bewirken, wie die folgenden Tatsachen klar darstellen.

1. Proteste gegen die WM ohne Wirkung

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In Köln wie in vielen anderen deutschen Städten haben Kneipenwirte zum Boykott der WM aufgerufen. In ihren Gaststuben werden die Spiele nicht übertragen. Dabei handelt es sich um nichts mehr als einen feigen Protest.

Hier können die fröhlichen Zecher an den Stammtischen und am Tresen nun auf ihre Prinzipientreue anstoßen und sich gegenseitig für ihre menschenfreundliche und tolerante Haltung loben. Damit werden sie aber nichts erreichen. Es ist ein Protest ohne Risiko, der keinerlei Wahrnehmung oder Wirkung hat. Weder die Kneipenbesitzer, noch die Biertrinker werden an den Verhältnissen in Katar damit irgendetwas verändern.

2. Weihnachtsstimmung gegen Winter-WM

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Zugegebenermaßen ist es etwas ungewöhnlich, dass in wenigen Tagen die WM ausgetragen wird. Normalerweise findet das Turnier immer im Sommer statt. Im ganzen Land ist dann dieses Fußballfieber zu spüren. Nun steht bald der 1. Advent an und die Weihnachtsstimmung kommt so langsam auf.

Kneipen und Restaurants müssen hier sowieso eine Entscheidung zwischen der Public-Viewing-Veranstaltung und der Weihnachtsfeier treffen. Am Ende geht es wieder nur um Geld und es wird sich für die Veranstaltung entschieden, die mehr Umsätze generiert. Viele die sich im Moment noch für einen Boykott stark machen, werden ihre Ansichten mit dem Anpfiff der ersten Begegnung ändern.

3. Katar ist in Deutschland wirtschaftlich stark engagiert

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Vorsichtig formuliert handelt es sich bei diesem Boykott um eine etwas selektive Angelegenheit. Genau genommen müssten nun auch Deutsche-Bank-Kreditkarten oder Kühlschränke von Siemens verweigert werden. Denn Katars mächtige Scheichs haben in großen deutschen Unternehmen viel Einfluss.

In den Vorständen von Porsche, VW und anderen Vorzeigeunternehmen treffen sie die wichtigen Entscheidungen. Diese Konzerne haben bislang nur positiv über die Investoren aus dem reichen arabischen Land berichtet. Nur ist diese Tatsache den meisten nicht bewusst. Es hat auch noch kein VW-Golf-Fahrer verkündet, nun aus moralischen Gründen auf sein geliebtes Fahrzeug zu verzichteten. Dies wäre jedoch mit einem Boykott der WM gleichzusetzen.

4. Der FIFA geht es ums große Geld

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Den Hauptverantwortlichen für die Winter-WM in Katar ist der Protest aus Deutschland vollkommen egal. Auf der anderen Seite kann auch dem Wüstenstaat kein Vorwurf gemacht werden, sich das größte Fußballturnier der Welt ins eigene Land geholt zu haben. Am Ende hat wieder einmal das große Geld entschieden.

Die FIFA winkt ein Reingewinn von 3,5 Milliarden US-Dollar. Schon in der Vergangenheit ist der Fußballweltverband immer wieder wegen zwielichtiger Geschäfte und Machenschaften in den Fokus geraten. Daher ist es nur nachvollziehbar zu vermuten, dass bei der Vergabe der WM an Katar ebenfalls dubiose Zahlungen eine Rolle gespielt haben könnten.

5. Sponsoren sehen Deutschland nur als eines von vielen Ländern

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Fußball ist letztlich ein großes Geschäft. Daher werden den 14 Sponsoren der WM die Proteste aus Deutschland ziemlich egal sein. Nach deren Selbstverständnis handelt es sich um „global Brands“, für die Deutschland nicht mehr als ein Land von vielen ist. Die internationale Rolle von Deutschland ist längst nicht mehr so wichtig, wie noch vor zehn oder 20 Jahren.

Die Hälfte der großen Sponsoren kommen aus Asien, zwei selbst aus Katar und lediglich die restlichen fünf aus dem Westen. Adidas ist der einzige Sponsor, der aus Deutschland kommt. Der Hersteller von Sportartikeln verdient an jedem großen Turnier. So wird es auch diesmal wieder sein, trotz all der Proteste aus Deutschland.

6. Die Politik enthält sich komplett

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Die Bundesregierung um Kanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock halten sich komplett aus dem Thema heraus. Noch bei einem Besuch von Emir Al-Thani im Mai versicherte der deutsche Kanzler, dass die Zusammenarbeit zukünftig vertieft wird. Der Wüstenstaat ist für Deutschland ein sehr wichtiger Partner.

Zwar gibt es kleine Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen, diese werden in Katar aber wahrscheinlich nicht einmal wahrgenommen. Währenddessen buhlt der Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Harbeck um Gas von den Scheichs. Wie bereits erwähnt nehmen die mächtigen Männer aus dem Wüstenstaat in den Vorständen der großen deutschen Unternehmen wichtige Funktionen ein.

7. Bundeskanzler Scholz und ein Finale mit deutscher Beteiligung

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Es ist zwar noch ein weiter Weg, aber sollte das deutsche Team bis ins Finale ziehen, wird auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Stadion sein. Jeder erinnert sich noch an die emotionalen Bilder der Kanzlerin a. d. Angela Merkel, wie sie die deutsche Nationalmannschaft in der Kabine besucht und gratuliert.

Was wollen Boylotteure gegen solch ein Szenario unternehmen. Sie können kaum eine Mahnwache halten, um den Bundeskanzler an der Reise nach Katar zu hindern. Und sollte die deutsche Nationalmannschaft wirklich erfolgreich ins Turnier starten, werden die meisten ihren Protest sowieso überdenken.

8. Doku von Thomas Hitzlsperger zeigt das wahre Katar

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Boykotteure haben ihre Meinung, und lassen sich davon auch nicht mehr abbringen. Sie verschließen sich und schauen nicht mehr hinter die Kulissen. Dabei ist die WM für den Wüstenstaat auch eine große Chance. Ex-Nationalspieler Thomas Hitzelsperger hat in seiner ARD-Doku das wahre Katar gezeigt.

Seine Reise brachten erstaunliche Erkenntnisse. Beispielsweise waren von den verschleierten Frauen keinerlei regimekritische Äußerungen zu vernehmen. Noch beeindruckender fand der 37-jährige, dass die Scheichs den Einheimischen ihre Hausgrundstücke schenken. In der Doku kommen noch viele weitere erstaunliche Fakten ans Licht. Der Moderator selbst ist sichtlich beeindruckt.

9. Boykott könnten zu Gegenreaktionen führen

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Boykott kann generell nicht die richtige Antwort auf die umstrittene Winter-WM in den kommenden Wochen sein. Katar hat in Deutschland bereits viel investiert. Da ist es ungut, es sich mit den Scheichs zu verderben. Es wäre sehr schlecht, wenn sie ihre Gelder woanders anlegen würden.

Außerdem will Deutschland sich von Russland unabhängig machen. Auch dabei spielt Katar eine wichtige Rolle, nicht nur bei etwaigen Gaslieferungen. Die meisten Menschen in Katar sind sehr gebildet, dies gilt übrigens auch für die Frauen. Wird die WM boykottiert, wird eine Gegenreaktion nicht ausbleiben. Katar hat zwar ein anderes Gesellschaftssystem, aber bevor dies beurteilt wird, sollte sich erst einmal damit beschäftigt werden.

10. Katar – Ein Land im Wandel

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Ein pauschaler WM-Boykott wegen den heiß diskutierten Themen wie Menschenrechtsverletzungen in Katar ist selbstgewiss und respektlos. Vorher sollte ein Blick hinter die Kulissen geworfen werden. Das Land befindet sich im Wandel und die Weltmeisterschaft hat einen großen Anteil daran. Bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend auch fortsetzen wird.

Viele Dinge haben sich hier bereits geändert, auch wenn sich der Wandel nur langsam vollzieht. Dies gilt nicht nur für die Arbeitsbedingungen. Dinge wie der Mindestlohn sind in anderen arabischen Ländern bislang noch undenkbar. Das Gesellschaftssystem ist zwar anders als in westlichen Ländern. Das heißt jedoch nicht, dass es automatisch auch schlechter ist.

11. Mit dem Begriff „Sportswashing“ ist vorsichtig umzugehen

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In religiöser Hinsicht ist Katar sehr umstritten. Homosexualität ist in dem Land verboten. Dieser Grundsatz wird aus der Religion abgeleitet. Der WM-Botschafter des Landes Salam hat Homosexualität als „haram“, also eine Sünde bezeichnet. Über den Islam wird aber nicht gerne geredet, dies gilt vor allem in Deutschland.

Hier kommt der Begriff „Sportswashing“ ins Spiel. Damit sollte jedoch vorsichtig umgegangen werden. Natürlich will das Land seine öffentliche Wahrnehmung verbessern. Unangenehme Themen wie Homosexualität werden dabei ausgeblendet. Dennoch wird ein Boykott der WM nichts bringen. Vielmehr sollte nun die Vorfreude auf das anstehende Ereignisse überwiegen.