Das Wesen aus dem Wasser

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Kanada: Entspannt lässt ein Urlauber vom Ufer aus seinen Blick übers Wasser gleiten. Er genießt die Ruhe, die typische Ozean-Luft, das Geräusch der sanften Wellen. Plötzlich wird er stutzig, denn sein Blick bleibt an etwas hängen, dass ein gutes Stück vor ihm im Wasser treibt.

Oder war da überhaupt was? Er schaut genauer hin, zweifelt an seiner eigenen Sehkraft, doch dann kommt die Bestätigung: etwa 20 Meter von ihm entfernt ist da etwas im Wasser, das bestimmt kein Fisch ist. Irgendetwas Buckeliges.

Ein Gefühl von Neugier und Schauer liegt in der Luft. Langsam kommt das Wesen näher. Bis es abtaucht…

1. Neugier versus Schauer

Ort des Geschehens ist British Colombia, eine kanadische Provinz an der Küste des Pazifischen Ozeans. Der Pazifische Ozean wird auch Stiller Ozean genannt und ist der größte und tiefste Ozean der Erde. Vieles in seiner Tiefe ist noch unerforscht. Wer weiß, was sich da gerade mit einigem Abstand zum Meeresufer im Wasser fortbewegt?

Eigentlich ist der Strandabschnitt ruhig und ermöglicht es seinen Besuchern, runterzukommen und sich von nichts aus der Ruhe bringen zu lassen – bis jetzt.

Zumindest bei einem Mann am Strand gerät das Blut gerade in Wallung. Und Fantasie und Neugier überschlagen sich schier.

2. Definitiv etwas Lebendiges

Der Mann bleibt nicht der einzige, der das geheimnisvolle Wesen entdeckt. Eine weitere Besucherin greift geistesgegenwärtig zu ihrem Smartphone und hält die aufregende Situation in Bildern fest. Nie hätte sie gedacht, dass der ansonsten so ruhige Tag noch eine derart fesselnde Begegnung bereit hält.

Wo eben noch ausschließlich Segelboote gut 50 Meter vom Land entfernt im Wasser schaukelten, hat sich jetzt etwas deutlich Lebendiges dazugesellt.

Auf keinen Fall ist es ein Baumstamm, wie sie reichlich am Ufer liegen. Ein Mensch ist es auch nicht. Und ein Fisch wäre definitiv tiefer unter der Wasseroberfläche. Auch die Art der Bewegung ist eigenwillig: eine ganz bestimmte Form des Gleitens, mit der sich das Wesen seinen Weg bahnt.

3. Die große Frage: Freund oder Feind?

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Und mittlerweile hat das Wesen fast schon das Ufer erreicht. Jetzt wird eine allgemeine Aufregung unter den Strandbesuchern deutlich. Immer mehr stehen auf, kommen neugierig zum Wasser.

Gleichzeitig bleiben sie vorsichtig, denn keiner scheint so recht zu wissen, was da genau ist? Selbst das kleinste Lebewesen kann sehr gefährlich werden, wenn es sich bedroht fühlt oder verletzt ist.

Oder aber, das Wesen ist von Grund auf streitsüchtig oder gar aggressiv. Als es wirklich nur noch gut 2 Meter vom Ufer entfernt ausharrt, hält eine Frau es nicht länger aus. Mit dem Smartphone im Anschlag geht sie ans Wasser und will endlich Klarheit.

4. Ein Monster ist es nicht!

Der Körperbau des Wesens ist ungewöhnlich muskulös. Zielstrebig zieht es vor dem Ufer seine Bahnen, wendet und dreht sich kraftvoll im seichten Wasser. Ob es jeden Moment blitzschnell aus dem Wasser schießt?

Die Strandbesucherin mit dem Smartphone hält auf alle Fälle einen Sicherheitsabstand – denn wirklich einschätzen kann sie das Verhalten des Meeresbewohners natürlich nicht. Und ihr gesunder Menschenverstand schützt sie vor übereilten Aktionen, die am Ende böse ausgehen könnten. Für sie!

Nach kurzer Zeit bekommt sie Verstärkung. Der Urlauber, der das Wasserwesen als erster bemerkt hat, stellt sich ihr schützend zur Seite. Und noch ein weiterer Mann folgt ihm ans Ufer.

5. Ruhig Blut…

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Direkten Blickkontakt nimmt der geheimnisvolle Besucher aus dem Meer mit keinem seiner Beobachter auf. Es scheint fast so, als würde er die Zweibeiner außerhalb des Wassers gar nicht richtig wahrnehmen. Oder ignoriert er sie gezielt, um den Eindruck zu vermitteln, gänzlich harmlos und ungefährlich zu sein?

Die Menschen am Strand sind sich definitiv uneinig über das weitere Vorgehen. In ihren Köpfen scheinen sich die Gedanken im Kreis zu drehen. Sie sind wie hypnotisiert von dem Treiben im Wasser, von der Magie. Sowas haben sie noch nie erlebt. Ein durchschnittlicher Fisch oder ein Hund im Wasser würde bestimmt nicht so eine Anspannung unter den Beobachtern auslösen.

6. Zum Greifen nah

Mittlerweile könnten die Urlauber das Wesen fast berühren. Während die Frau weiterhin aus sicherem Abstand das ganze mit dem Smartphone festhält, kann sich einer der Männer nicht länger zurückhalten. Er beugt sich vorsichtig hinab und streckt ganz ruhig seine Hand aus. Zu gerne möchte er das Wesen berühren, aber gebissen werden will er auch nicht.

Die Konsequenzen eines kräftigen Bisses können eh fatal sein. Eine Blutvergiftung ist ausgesprochen gefährlich, schmerzhaft und langwierig. Noch schlimmer wäre Tollwut. Denn die Infektion löst fast immer eine tödliche Gehirnentzündung aus. Unter Pflanzenfressern tritt Tollwut seltener auf als unter Fleischfressern.

Aber wer weiß schon in diesem Augenblick, was grundsätzlich auf dem Speiseplan unseres Wasserwesens steht.

7. Achtung, bissig!


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Hunde, Katzen, Frettchen, Dachse und Waschbären sind klassische Tollwutüberträger. Viele kennen tollwutinfizierte Tiere mit gefletschtem Gebiss und Schaum vor dem Mund. ABER: Die Infektion kann sich auch komplett anders zeigen, nämlich in paralytischer Form. Dann verhält sich das angesteckte Tier irritierend ruhig.

Gut, dass sich bei unserem Wassertier weder besonders aggressives Verhalten, noch ausgeprägte Lethargie ausmachen lassen. Zähne fletscht es augenscheinlich nicht. Ansonsten wäre es reichlich unklug, weiter im Wasser zu bleiben.

Einer der Männer schaut sich das Tier genauer an. Es besitzt keine schuppige Oberfläche. Die Haut oder das Fell sieht sehr glatt und weich aus.

8. Wuscheliges Raubtier

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Es ist ein Seeotter, auch Meerotter genannt. Otter gehören zur Familie der Marder. Diese Otterart lebt aber ausschließlich im Wasser und kommt so gut wie nie an Land. Oder macht unser Otter heute eine Ausnahme? Aktuell macht es nicht den Anschein, da er sehr entspannt auf dem Rücken liegend vor sich hin schwimmt.

Seeotter gelten als ausgesprochen clever und wissbegierig. Sie lernen schnell und gebrauchen Dinge aus der Natur als Werkzeug, was für ihre Intelligenz spricht.

Wegen des schönen und dichten Fells waren Seeotter bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Aussterben bedroht. Ein Jagdverbot sorgte dafür, dass sich Seeotter wieder reichlich vermehren und sich der Bestand regenerieren konnte. Heute ist der Seeotter vor allem durch Umweltverschmutzung (Ölpest) bedroht.

9. Aus Alaska angeschwommen

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Vermutlich ist unser Seeotter aus dem Nordmeer Alaskas an die kanadische Küste geschwommen. Das Wasser ist sein Zuhause, sein Element. Und mit seinem dichten Fell trotzt der Otter jeder Kälte.

Andere Säugetiere, die im Meer leben, schützen sich mit einer isolierenden Fettschicht. Der Otter greift auf satte 100 Tausend Haare pro Quadratzentimeter zurück. Manch ein Mensch wünschte sich, er hätte so viele Haare insgesamt auf dem Kopf.

So possierlich der Seeotter im entspannten Modus auch ausschauen mag – mit seinen über 30 Zähnen ist er ein ausgesprochen effektiver Jäger. Hauptsächlich verspeist er Seeigel, Meeresschnecken oder Muscheln. Einige Seeotter haben sich außerdem auf die Jagd von Wasservögeln spezialisiert. Während die Vögel auf der Wasseroberfläche ruhen, greifen die Otter von unten an.

10. Kuscheln oder Angriff?

Gut – auf dem Speiseplan der Seeotter stehen menschliche Standbesucher sicher nicht. Aber wie sieht es mit dem unmittelbaren Kontakt aus? Immerhin handelt es sich um ein wildes Tier, das nicht allzu oft direkten Kontakt zu Menschen haben dürfte. Und kräftig genug ist das Gebiss eines Seeotters allemal, um eine fiese, tiefe Bisswunde zu verursachen.

Der Mann im Wasser bleibt auf alle Fälle ruhig stehen, während andere Strandbesucher lieber einen Sicherheitsabstand halten und das Treiben vom Ufer aus beobachten.

Und irgendwie scheinen Mensch und Tier eine Verbindung aufgebaut zu haben, denn mit einem Mal überwindet der Mann jede Hemmung und beginnt, den Otter vorsichtig zu kraulen.

11. Der Beginn einer Freundschaft

Was für ein Augenblick: Mensch und wildes Tier gehen auf Tuchfühlung. Mit seinen Fingern krault der Mann das dichte Fell des Seeotters. Das Tier reckt und streckt sich und scheint die Krauleinheit absolut zu genießen.

Mit seinen Vorderpfoten hält er sich immer wieder an dem Unterschenkel des Mannes fest. Alles wirkt so unfassbar friedlich und freundlich. Diese Begegnung verschafft wahrscheinlich sämtlichen Teilnehmern am Strand einen unvergesslichen Glücksmoment. Die aufgeregte Stimmung ist eindeutig spürbar.

Und dann kommt ein Moment, in dem die Stimmung fast zu kippen drohte. Der Seeotter, der eben noch recht zurückhaltend im Wasser dümpelte oder sanften Körperkontakt suchte, wird übermütig.

12. Zum Anbeißen

Der Seeotter hat jede Scheu verloren und wird immer kecker. Mit seinen Vorderbeinen klettert er immer höher am Bein des Mannes hinauf. Dieser zieht seine Hand zurück, reagiert verhalten und zögerlich. Er versucht, die Situation einzuschätzen und die Nerven zu bewahren.

Dann entfährt dem Mann ein kurzer Schmerzensschrei. Das eben noch so ausgelassene Spiel hat etwas übergriffige Formen angenommen. Seeotter sind sehr verspielt, kämpfen gerne aus Spaß mit anderen Ottern, jagen auch mal ihre Schwänze und sind unfassbar neugierig. In diesem Fall wurde das Spiel zwischen Vier- und Zweibeiner ein wenig zu viel des Guten.

Aber der Seeotter lässt schnell wieder ab von seinem neuen Spielkameraden. Schließlich ist er doch ein freundlicher Zeitgenosse und will keinen Streit anzetteln.

13. Zeit für den Abschied

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Was immer den Seeotter antreibt: Plötzlich scheint seine Spielzeit abgelaufen zu sein. Er lässt von seinem neuen Freund ab und schwimmt hinaus aufs offene Meer.

Alle Badegäste blicken ihm nach und müssen erst mal sacken lassen, was sie da gerade alles erlebt haben. Und am schnellsten klopft sicher das Herz des einen Mannes, der noch nie zuvor einem wilden Tier so nah gekommen ist. Was für eine Begegnung, die trotz der etwas ungestümen Spielerei am Ende doch in erster Linie einfach ganz großartig war.

Wann bekommt man schon die Gelegenheit, ein solches Wassergeschöpf so direkt kennenlernen zu dürfen.