Hip-Hop-Star erschossen – welche Rolle spielte ein zwielichtiger Legendensohn?

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Zwei Alben seiner Band Migos erreichten Platin-Status. Er war nominiert für zwei Grammys. Er stand im Studio mit Megastars wie Drake, Cardi B und Nicki Minaj. Rapstar Kirshnik Khari Ball alias Takeoff lebte ein Leben auf der Überholspur – ehe es mit nur 28 Jahren grausam endete.

Takeoff wurde am 1. November 2022 in der texanischen Metropole Houston erschossen, sein Tod in der Halloween-Nacht wühlte die Musik-Szene auf und gibt viele Rätsel auf. Bei einem davon steht ein schockierendes, über Social Media verbreitetes Video im Zentrum, das für viel Wirbel um eine mächtige Größe des amerikanischen Hip Hops sorgte. Was hinter der Aufregung steckt? Wir erklären es.

1. Das traurige Ende einer Hip-Hop-Traumkarriere

Das erfolgreiche Hip-Hop-Trio Migos entstand im Jahr 2008, aus familiärer Bande: Frontmann Quavo (Quavious Keyate Marshall) war ein Onkel des drei Jahre nach ihm geborenen Takeoff, das dritte Mitglied Offset (Kiari Kendrell Cephus) – der wie Quavo 1991 auf die Welt kam – ein Cousin. Die drei wuchsen gemeinsam in der Stadt Lawrenceville im US-Bundesstaat Georgia auf, einem Vorort von Atlanta.

Die im Teenager-Alter Rap-Formation legte eine steile Karriere hin: Nach dem Debüt-Album „Yung Rich Nation“ eroberten die beiden Nachfolger „Culture“ und „Culture II“ Platz 1 der US-Charts und räumten insgesamt dreimal Platin ab. Das 2021 veröffentlichte „Culture III“ schaffte es auf Platz 2 der Rankings.

2. Drake, Nicki Minaj, Cardi B – alle arbeiteten mit Takeoff

Migos hatte nicht nur bei den Fans großen Erfolg, sondern genoss auch bei Kritikern hohe Anerkennung: Im Jahr 2018 bekam das Trio zwei Grammy-Nominierungen, für das Album „Culture II“ und die mit Lil Uzi Vert aufgenommene Single „Bad and Boujee“ als „Best Rap Performance“.

Lil Uzi Vert gehörte nicht zu den einzigen prominenten Kooperationspartnern: Beim 2017 veröffentlichten Song „MotorSport“ mischten Cardi B und Nicki Minaj mit, bei „Walk It Talk It“ teilten sich Migos das Studio mit keinem Geringeren als Drake. Takeoff gehörte zur ersten Liga der amerikanischen Musik-Branche – bis das Schicksal erbarmungslos zuschlug.

3. Tod vor einer Bowling-Bahn

In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November 2022 endete das Leben von Kirshnik Khari Ball alias Takeoff vor einem Bowling- und Billard-Center im Houstoner Gewerbegebiet GreenStreet. Nach einer dort veranstalteten privaten Geburtstagsparty versammelte sich eine Gruppe von etwa 40 Menschen vor der Spielstätte, es kam zu Streitigkeiten und einer gewalttätigen Eskalation mit fatalen Folgen.

Mehrere anwesende Personen wurden durch Schusswaffen verletzt, Takeoff bekam drei Kugeln in den Körper und in den Kopf ab. Eine sich zufällig in der Gegend aufhaltende Krankenschwester eilte zu Hilfe, konnte aber nur noch Takeoffs Tod feststellen.

4. Warum Takeoff? Fans standen vor einem Rätsel

Das Schicksal von Takeoff weckte schreckliche Erinnerungen an die gewaltsamen Tode anderer berühmter Rapstars, allen voran die der Ikonen „2Pac“ Tupac Shakur und The Notorious BIG in den neunziger Jahren. Warum es nun Takeoff erwischte, stellte Außenstehende vor ein Rätsel.

Takeoff war wie viele andere Rapstars zwar kein unbeschriebenes Blatt, was Konflikte mit dem Gesetz anging – 2015 wurden er, Quavo und Teile ihrer Entourage nach einem Konzert auf einer Uni wegen illegalem Marihuana- und Waffenbesitz verhaftet, 2020 wurden Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Takeoff erhoben, blieben aber ohne strafrechtliche Folgen. Trotzdem galt Takeoff als beliebte, ruhige, Ärger aus dem Weg gehende Persönlichkeit. Warum musste er sterben?

5. Ein zwielichtiger Mogul der Rap-Szene rückt in den Fokus

Das Todesrätsel um Takeoff beschäftigte Rap-Fans quasi in Echtzeit, wegen der vielen Anwesenden fanden schnell Handy-Videos der Szenerie den Weg ins Netz – und rückten vor allem eine Person in den Fokus: J. Prince Jr., eine bekannte Größe der regionalen Rap-Szene. J. Prince Jr. feierte vor der Bluttat in dem Bowling-Center den Geburtstag seines Bruders Jas Prince.

Takeoff und Band-Kollege Quavo waren unter den Gästen – und nach der tödlichen Eskalation wurde J. Prince Jr. schnell Gegenstand von Gemunkel: Zum einen wegen eines vielfach verbreiteten Videoclips, in dem er anscheinend ungerührt am niedergeschossenen Takeoff vorbeigeht, ohne Hilfe zu leisten – zum anderen wegen seiner ebenfalls Fragen aufwerfenden Vorgeschichte …

6. J. Prince Jr.: Sohn einer Legende und zwielichtige Figur

J. Prince Jr. ist der Sohn von James Prince, Gründer des in Hip-Hop-Kreisen legendären Plattenlabels Rap-A-Lot Records – und Entdecker und Mentor von Superstar Drake, der ihm einst auf der untergegangenen Social-Media-Plattform MySpace aufgefallen war.

Der Junior ist selbst Boss einer szenebekannten Firma: einem Streetwear-Hersteller mit dem vielsagenden Namen „Mob Ties“ – der Name ist die Abkürzung für „Movement of Bosses Together In Elevated Structure“ und bedeutet übersetzt „Mafiaverbindungen“. Spekulationen, dass dies mehr ist als nur ein Wortspiel, begleiten das Unternehmen und den Chef nicht erst seit dem Tod von Takeoff. J. Prince Jr. war auch in der Nähe, als kurz zuvor ein anderer bekannter Name ermordet wurde.

7. Verdächtige Parallelen zum Mord an einem Star-Juwelier

Am 8. September 2022 wurde in Houston der aus Chicago stammende Künstler Duke the Jeweller getötet, ein Juwelier, der viele bekannte Stars mit „Bling-Bling“ ausstattete. Duke wurde nach einem Konzert des Rappers Boosie Badazz Opfer eines Raubüberfalls. Kurz zuvor soll er laut dem Popkultur-Portal Sandrarose.com 100.000 Dollar in einem Würfelspiel gewonnen haben – von J. Prince Jr.

Was in Kombination mit dem Tod von Takeoff für weiteres Aufhorchen sorgte: Auch vor dessen Tod wurde laut Polizei-Angaben „ein mit hohen Einsätzen ausgetragenes Würfelspiel“ gespielt. Takeoff war nicht beteiligt – wurde aber nach Einschätzung der Ermittler Zufallsopfer der sich anschließenden Eskalation.

8. Der mutmaßliche Todesschütze ist ausgemacht – viele Fragen bleiben

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J. Prince Jr. hat früh alle Vorwürfe zurückgewiesen, sprach in einem Instagram-Beitrag von „Lügen und falschen Narrativen“. Inzwischen ist auch der mutmaßliche Todesschütze verhaftet und angeklagt, der 33 Jahre alte Patrick Xavier Clark. Die Ermittlungen über Hergang und Hintergründe der Tat aber dauern noch an und das Verhalten von J. Prince Jr. wirft weiter Fragen auf.

Ist nur Zufall, dass es um ihn herum innerhalb von zwei Monaten zwei Todesfälle rund um Würfel-Zockereien mit seiner Beteiligung gab? Wie groß ist die persönliche Verantwortung von J. Prince Jr. in dem gewalttätigen Umfeld der Houstoner Szene? Viele Rätsel sind ungelöst …