Kaum ein anderer Veranstaltungsort einer durch die FIFA organisierten Fußball-WM polarisierte im Rahmen der WM-Geschichte derart wie Katar. Das Event, das zahllose Experten bereits im Vorfeld als “ WM der Schande“ titulieren, findet mit Katar in einem Wüstenstaat statt, der ebenso wie für Bodenschätze für Ausbeuterei, Diktatur, Korruption und Menschenrechtsverletzungen bekannt ist.
Der nachfolgende Text sensibilisiert für den objektiven Diskurs rund um das für und wider für Katar als Austragungsort. Der Leser erfährt, ob es tatsächlich objektive Argumente gibt, die für Katar als Veranstaltungsort der Fußball–Weltmeisterschaft 2022 sprechen oder ob die Entscheidung der FIFA für Katar den Startschuss für den Ausverkauf des Fußballs markiert.
1. Premiere; arabisches Land präsentiert sich der Weltbühne als Austragungsort einer Fußball-WM
Mit Katar präsentiert sich 2022 erstmals ein arabischer Wüstenstaat als Austragungsort der Fußball-Weltmeisterschaft der Männer. Während Befürworter das Event am Standort Katar als Möglichkeit verstehen die WM– Euphorie erstmals auf arabischen Boden erlebbar zu machen und mit Katar als Austragungsort der WM die grenzenlose Fußballbegeisterung in der arabischen Welt würdigen möchten, berufen sich Kritiker auf die objektiv fehlende Fußballgeschichte Katars und weisen explizit auf das mangelnde Interesse der katarischen Bevölkerung am Fußballsport hin.
Demnach zeigt sich 2022 erstmals ein Gastgeberland, das sich niemals für eine der seit 1930 stattfindenden Fußball–Weltmeisterschaften qualifiziert hat. Zudem präsentiert sich die katarische Bevölkerung wenig fußballbegeistert. Entsprechend tragen die Vereine der landeseigenen ersten Fußball–Liga ihre Spiele grundsätzlich vor leeren Rängen aus.
2. Besitzt die WM das Potential das katarische Narrativ “ der starken Frau“ in die Realität zu überführen?
Fürsprecher, die sich für Katar als Austragungsort der Fußball-WM der Herren stark machen, sehen in dem Event eine Chance die Frauenrechte in dem arabischen Emirat positiv zu beeinflussen. Diese These knüpft an die Devise „Wandel braucht Annährung“ bzw. an das Narrativ der katarischen Regierung an, die das Bild “ der starken Frau“ propagiert und auf diese Weise ausländische Investoren für sich gewinnen möchte.
Tatsächlich aber dominieren reaktionäre Denkmuster, die von einer extrem rückständigen Gesetzgebung geprägt sind, das kollektive Verständnis der katarischen Bevölkerung, sodass der Großteil der Bürger Katars Frauen als unmündige Wesen versteht.
3. Kann die WM die in Katar dominierenden reaktionären Muster aufbrechen?
Entsprechend sind katarische Frauen permanent einem männlichen Vormund bzw. “ Schutzbefohlenem“ unterstellt. Die in dem Wüstenstaat vorherrschende Gesetzgebung verbietet es demnach Frauen ohne die ausdrückliche Zustimmung ihres männlichen Vormundes zu reisen, zu heiraten, zu studieren, Sport auszuüben, Mitglied von Sportmannschaften zu werden und Bilder von sich offiziell zu veröffentlichen.
Folglich sind Frauen explizit dazu angehalten permanent im Hintergrund zu bleiben, nicht für das Kollektiv sichtbar zu sein und stets strikt der traditionellen Auslegung des sunnitischen Islams zu folgen, die Eckpfeiler für Handeln und Denken der katarischen Bevölkerung ist. Demzufolge braucht es mehr als eine WM im eigenen Land, um eine moderne Interpretation des sunnitischen Islams anzustoßen.
4. Kann die WM die katarische Bevölkerung für den kollektiven Mehrwert von Diversität sensibilisieren?
Das Weltbild eines Großteils der katarischen Einheimischen stützt sich rigoros auf die Lehre des Wahhabismus. Diese Lesart des Islam bestimmt über rechtliche Grundlagen, Verhaltensregeln, Werte und Normen. Entsprechend gelten Personen der LGTBQ+-Community nach wahhabistischem Verständnis als abnorm.
Das katarische Rechtverständnis, das gemäß § 285 des katarischen Strafgesetzbuches homosexuelle Handlungen aktuell als rechtswidrig einstuft und mit Gefängnisstrafen ahndet, leistet Vorschub für die homophoben Äußerungen, die in Katar an der Tagesordnung und gesellschaftlich akzeptiert sind. Demnach titulieren einzelne katarische Sportkommentatoren etwa Homosexualität als “ gefährliche Ideologie“ für die sich ausdrücklich zu schämen sei. Aufgrund dieser Aspekte rangiert Katar im “ LBTBQ Equality- Index“ auf Rang 159 von insgesamt 198 Ländern.
5. Haben die WM-Vorbereitungen bessere Arbeitsbedingungen in Katar geschaffen?
Lohndiebstahl, das Verbot von Gewerkschaften, Hungerlöhne, unermessliche Arbeitsbelastungen und unmenschliche, ausbeuterische Arbeitsbedingungen dominieren derzeit die Situation zahlloser Menschen, die in Katar beschäftigt sind.
Insbesondere die Situation unzähliger Gastarbeiter, die zwecks Errichtung der im Rahmen der Fußball-WM 2022 zum Einsatz kommenden WM-Stadien bzw. Spielstätten sowie der zugehörigen Infrastruktur zwischen 2012 und 2021 nach Katar strömten und unfreiwillig zu potentiellen “ WM–Sklaven“ ohne jeglichen Rechte avancierten, schärft das Bewusstsein für die in Katar gegenwärtigen Missstände.
Nepalesische Gastarbeiter berichten über 16 Stunden Arbeit pro Tag, obgleich die katarische Gesetzgebung eine diesbezügliche Obergrenze von jeweils 8 Stunden täglich kennt. Sie erzählen von Arbeit unter freiem Himmel bei + 50 ° C.
6. Menschenrechtsverletzungen bestimmten die Situation der Gastarbeiter
Eine derartige Praxis ist offiziell in Katar verboten. Sie erhielten demnach weder Wasser seitens der katarischen Arbeitgeber, die ihre Arbeiter als “ Hunde“ bezeichneten, noch nahmen die Chefs Anteil an den sich auf den Baustellen abspielenden menschlichen Dramen, die aufgrund der unmenschlichen Arbeitsbedingungen vor Ort an der Tagesordnung waren und unzählige Todesfälle forcierten.
Entsprechende Berichte legen die katastrophalen, grausamen Arbeitsbedingungen in Katar offen, das als eines der weltweit reichsten Länder gilt. Ein derartiges Vorgehen steht im Widerspruch zu den seitens katarischer Funktionäre 2017 vor der “ Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen“ getätigten Versprechungen und sensibilisiert für die Versäumnisse Katars.
7. Warum die WM-Vorbereitungen die Strukturen des ausbeuterischen Kafala-Systems nicht beseitigt hat
Trotz den Versprechungen einer katarischen Delegation, die sich im Kalenderjahr 2017 im Zuge einer Anhörung vor dem Hauptsitz der “ Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen“ für Reformen und Modifizierungen des katarischen Arbeitssystems aussprachen, setzte die katarische Regierung die diesbezüglichen Reformpläne niemals um.
Gemäß dieser Versprechungen sollte Gastarbeitern das Recht zugestanden werden, ob sie ihren Arbeitsplatz innerhalb Katars eigenständig wechseln oder in ihre Heimat zurückkehren können. Zudem versprach die katarische Delegation die Einführung eines Mindestlohns für Gastarbeiter, die Etablierung eines Schlichtungsgremiums sowie den kostenfreien Zugang zu medizinischer Versorgung. Ziel dieser Pläne war es, das Kafala-System zu beseitigen, das Grundlage der massiven Ausbeutung ist.
8. Ist Katar als Synonym für Pressefreiheit in der arabischen Welt zu verstehen?
Im Kalenderjahr 2008 belegte Katar im Ranking der “ Reporter ohne Grenzen“ in dessen Mittelpunkt die Pressefreiheit stand, Platz 74 von insgesamt 180. Zu diesem Zeitpunkt lobten internationale Pressevertreter die Arbeit des in Katar ansässigen TV-Senders Al Jazeera sowie seiner mutmaßlich frischen Medieninhalte.
Seit Vergabe der WM 2010 an das arabische Emirat Katar mehren sich allerdings die Berichte von Drangsalierungen, Sanktionen und Einschüchterungsversuchen gegenüber unabhängig berichteten Journalisten. Intention derartiger Praktiken ist es, kritische Berichte rund um Katar und die WM bzw. kritischen Journalismus konsequent zu unterbinden. Wer kritischen Journalismus fördert, muss demnach mit harten juristischen Sanktionen, Überwachung und im Extremfall mit einer Haftstrafe rechnen.
9. Katar duldet keinen kritischen Journalismus
So wurde der aus Jordanien stammende Kommunikationschef des offiziellen WM Organisationskomitees jüngst zu einer Haftstrafe von 3 Jahren verurteilt, weil er eine wahrheitsgetreue Berichterstattung billigte, die sich der Situation streikender Arbeiter widmete. Mit Spenden versuchte sich Katar zunehmend und unmittelbar vor der WM rein zu waschen und sein Image international aufzupolieren.
So entrichtete Katar 2022 eine Millionen-Spende an die Stiftung “ Fußball hilft“ unter Federführung des früheren DFB– Präsidenten Theo Zwanziger, der fortwährend scharfe Kritik an der Entscheidung der FIFA übte, die WM 2022 in Katar stattfinden zu lassen und dem Wüstenstaat den Beinamen “ Krebsgeschwür des Weltfußballs“ verlieh.
10. Emirat nutzt Fußball-WM de facto als Plattform, um sich potentiellen Investoren zu präsentieren
Katar nutzt die Fußballweltmeisterschaft der Herren primär, um Investoren, Fachkräfte und solvente Touristen in den wohlhabenden Wüstenstaat zu locken. Entsprechend ist kritischer Journalismus, der objektiv hinter die schillernde Fassade des Wüstenstaats schaut, kollektiv unerwünscht.
Das im Jahr 1979 eingeführte Pressegesetz ermöglicht eine Vorzensur jeglicher Art von Publikationen. Anknüpfend an diesen Passus stellt das 2014 verabschiedete Gesetz zum Themenfeld “ Cyberkriminalität“ die Verbreitung mutmaßlicher “ Fake News“ unter Strafe. Jüngst wurde ein dänisches Fernsehteam im Rahmen von Dreharbeiten in Katar von Sicherheitskräften bedroht, während WDR- Reporter Best von regelmäßiger Überwachung berichtet, sofern er in Katar zugegen ist.
11. Namhafte Politikwissenschaftler beobachten sozialen Wandel
Renommierte deutsche Politikwissenschaftler, die in Katar tätig sind, wie etwa Daniel Reichel stützen die These, dass diejenigen, die vor Ort arbeiten zum stetigen sozialen Wandel Katars beitragen und nachhaltig positive Veränderungen anstoßen. Er stuft Katar als einen Wüstenstaat ein, der sich in einem dynamischen Erneuerungsprozess befindet und mit zahlreichen Verbesserungen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene aufwarten kann.
Laut Reichel griffen einige katarische Medien wie etwa “ Doha News“ jüngst die kritischen Berichterstattungen des WDR- Reporters Benjamin Best auf und berichteten über die mitunter grausamen Arbeitsbedingungen in Katar. Derartige Beobachtungen nähren die Vermutung, dass das Prinzip “ Wandel durch Annäherung“ erste Früchte trägt.